Das Lächeln ist ihr Markenzeichen, auch wenn sie 170 Kilometer und tausende Höhenmeter vor sich hat. Denn mit Spaß geht alles besser. Dank ihres Lächelns hatte Katharina Hartmuth 2023 viel zu lachen. Ein persönlicher Rückblick auf „ihr“ Jahr 2023, eine mögliche Aufnahme von Trailrunning ins Olympische Programm und den Klimawandel in der Arktis. Erzählt von der 28-jährigen Frau Doktor selbst.
Text: Klaus Molidor
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In diesem Jahr hatte ich wahrlich viel zu lachen. Der zweite Platz bei den World Mountain and Trail Running Championships in Innsbruck-Stubai auf dem Trail Long war eine Überraschung und ganz etwas Besonderes. Die Atmosphäre in Innsbruck, die vielen Leute an der Strecke – nicht nur in der Stadt, sondern auch auf den Bergen, das war unglaublich cool. Man hat gemerkt, dass die Leute in Innsbruck nachvollziehen können, was wir da geleistet haben, weil sie den Sport entweder selbst ausüben oder einfach auch viel in den Bergen unterwegs sind. Es hat Spaß gemacht, erstens, weil ich gemerkt habe, dass ich vor allem gute Beine habe. Zweitens war es cool, auf der Strecke im Anstieg mit anderen Athleten zu plaudern. Man hat ja an den Shirts immer gleich erkannt, woher jemand kommt. Das macht für mich Trailrunning zu einem Gutteil aus – dass man zwar Rennen bestreitet und die anderen Teilnehmer Konkurrenten sind, aber eben irgendwie bestreitet man diese Abenteuer auch gemeinsam. Das absolute Highlight war dann oben auf dem „Hoadl“, auf über 2300 Metern. Da waren so viele Leute.
Was mir dann weniger gefallen hat, war, dass ich sogar in Führung gegangen bin. Es ging nicht anders, weil ich mein Tempo weiter halten wollte, aber so früh im Rennen habe ich keine Freude damit. Ich weiß, dass das jetzt komisch klingt und natürlich Jammern auf hohem Niveau ist, aber ich halte mich lieber ein wenig im Hintergrund und mach mein Ding. Erst im letzten Viertel kann es dann nach vorne gehen.
Der zweite Platz war natürlich ein Traum und hat den Rest der Saison schon leichter gemacht, vom Druck her, weil hey: Da hatte ich schon ein super Ergebnis geliefert.
Dabei war das gerade eine extrem intensive Zeit. Ich habe an der ETH Zürich studiert und meine Doktorarbeit über den Klimawandel in der Arktis kurz vor den Weltmeisterschaften abgegeben. Eine Woche danach hatte ich aber noch die Verteidigung der Arbeit. Das war hart, denn nach dem Rennen hat tagelang ständig das Telefon geläutet.
Ich arbeite jetzt im Bereich der Atmosphärendynamik. Es ist nicht so leicht, das herunterzubrechen, aber grob gesagt betreiben wir Grundlagenforschung auf kürzeren Zeitskalen auf dem Gebiet des Wetters. Immer wichtiger wird aber auch der Einfluss des langfristigen Klimawandels und damit einhergehende Veränderungen im Wetter. In meiner Dissertation lag der Fokus auf der Arktis, in welcher die Meereisschmelze die Erwärmung deutlich beschleunigt. Somit sind diese Veränderungen dort besonders dramatisch.
Intensiv ist es dann nach Innsbruck auch weitergegangen. Im Juni und Juli hatte ich in fünf Wochen drei Rennen, das war schon echt an der Grenze, doch ich habe mich in allen Rennen sehr gut gefühlt und konnte den Eiger Ultra Trail über 101 Kilometer sogar gewinnen. Vor dem UTMB habe ich aber sieben Wochen Pause gehabt und es vor allem in den ersten beiden Wochen nach dem Eiger echt ruhig angehen lassen. Beim UTMB selbst bin ich dann völlig ohne Druck gelaufen – was konnte nach der Saison schon schiefgehen. Top 20 wäre super gewesen, dass es dann wieder der zweite Platz geworden ist, war unglaublich. Fast schon ein bisschen unheimlich, wenn immer alles so aufgeht. Denn klar, kann und muss man sich gut vorbereiten und trainieren, aber am Tag X muss dann auch alles passen für so eine Leistung. Wenn alles so gut aufgeht, denkt man: Irgendwann muss auch ein schlechter Tag und ein schlechtes Rennen kommen. Heuer ist das aber nicht passiert.
Am Start des 170 Kilometer langen Rennens habe ich mich schon geehrt gefühlt, dass ich im selben Rennen mit Courtney Dauwalter laufen kann, einer Ikone unseres Sports. Sie ist wie von einem anderen Stern und eine coole Persönlichkeit. Trotz ihrer Erfolge und ihrer Bekanntheit ist sie überhaupt nicht abgehoben. Dass ich am Ende hinter ihr Zweite geworden und dann neben ihr auf dem Podium gestanden habe, war der Wahnsinn. Courtney strahlt über die Trailrunning-Community hinaus und ist eine große Inspiration für mich. Sie zieht ihr eigenes Ding durch, ohne Trainer, ohne große Philosophie.
Nun ist die Saison zu Ende und statt Wettbewerben steht vor allem wieder die Arbeit im Vordergrund. Mein Glück ist, dass ich häufig selbst entscheiden kann, wann und wo ich arbeiten will. Im Winter habe ich sehr viel gearbeitet und mir so ein Polster an Überstunden aufgebaut, das mir – zusammen mit meinen Urlaubstagen – die Möglichkeit gegeben hat, in der relativ kurzen Trailrunning-Saison so oft an den Start zu gehen. Mittlerweile verdiene ich mit dem Laufen auch schon Geld, leben kann ich aber nicht davon. Möchte ich auch gar nicht. Ich schätze meine Arbeit an der ETH Zürich – da muss ich meinen Kopf gebrauchen und kann mich auch mit anderen Leuten austauschen. Die Arbeit und der Sport ergänzen sich schön.
Bei so einem dichten Programm aus Arbeit, Training und Wettkampf muss man schon sehr organisiert sein und einen detaillierten Wochenplan haben, damit auch Freunde nicht zu kurz kommen. Mein Glück ist, dass viele meiner Freunde ebenfalls ambitionierte Sportler sind, sodass sich das gut verbinden lässt. Ich hatte auch mal eine Partnerschaft am Sport vorbei – geht alles, wenn man will. Mal sehen, was die Zukunft bringt. Trailrunning steht in meiner Prioritätenliste aber schon sehr weit oben.
Apropos Zukunft. Interessant wird auch die Entwicklung des Trailrunning-Sports. Immer wieder hört man von Tendenzen, dass es olympisch werden könnte. Diese Entwicklung sehe ich sehr kritisch. Ich weiß nicht, ob es dem Sport mehr bringt oder mehr schaden könnte. Geht es weiter Richtung Kommerzialisierung, geht vielleicht die Leichtigkeit und dieser besondere Spirit verloren, den so viele Athleten schätzen und lieben. Es geht ja beim UTMB und der UTMB-Series auch schon in diese Richtung. Andererseits bekäme der Sport viel mehr Aufmerksamkeit und wenn dadurch mehr Geld ins Spiel kommt, könnten vielleicht noch mehr Sportlerinnen und Sportler davon leben oder Geld damit verdienen. Dazu kommt die Reglementierung. Schon bei der WM wurde darüber diskutiert, wie lange der längste Bewerb sein darf, damit er vom Fernsehen noch übertragen werden kann. 87 Kilometer sind für uns Ultraläufer ja eigentlich nichts. Auch die Frage des Stellenwerts stellt sich. Was wäre denn ein Olympiasieg wert, wenn nicht alle Top-Athleten am Start stehen? Mit diesem Problem hatte ja auch die WM zu kämpfen. In Innsbruck war das Starterfeld schon sehr gut – aber verglichen mit dem UTMB ist der Stellenwert doch deutlich geringer. Es wird spannend zu sehen sein, in welche Richtung es geht.
Wohin meine persönliche Reise 2024 geht, ist noch unklar. Klar ist, dass ich weitermachen werde. Ein paar Ideen gibt es auch schon, aber konkret ist noch nichts. Spaß muss es machen, denn ohne Spaß an der Sache kann ich keine gute Leistung bringen. Vielleicht sieht man mich deswegen auch immer lächeln auf den härtesten Rennen, weil ich es einfach liebe, in den Bergen zu laufen. Lange Strecken, am besten über 100 Kilometer, mit technischen Passagen und vielen Höhenmetern – da bin ich zu Hause. Wenn das Rennen also langsam wird, mit wenigen flachen Passagen, wo nicht zu viel Laufbares dabei ist, kann ich meine Stärken ausspielen. Mein Sponsor Hoka, der auch UTMB-Sponsor ist, sieht es naturgemäß gerne, wenn man dort an den Start geht. Aber sie mischen sich da nicht zu viel ein. Das wäre auch nichts für mich, denn ich bin mittlerweile bekannt dafür, dass ich auch das Abenteuer brauche. Müsste ich mich entscheiden, zwischen nur noch Rennen oder gar keine Rennen, würde ich trotzdem auf die Rennen verzichten und das Abenteuer vorziehen. Achja: Ein Abenteuer, das auch ein Wettkampf ist, steht fix auf meiner Bucket-List. Der Tor des Geants über 330 Kilometer. Den möchte ich unbedingt noch einmal komplett laufen. Dorthin kehre ich sicher einmal zurück.