Reduce. Reuse. Recycle.

Damian Hall ist einer der prominentesten Ultraläufer der Gegenwart, doch der britische Journalist ist nicht nur UTMB-Fünfter (2018) oder Sieger des Monte Rosa Ultra (2019), sondern seit wenigen Wochen auch Gewinner des Spine Race. Damit nicht genug – Hall ist Umweltaktivist und spricht an, was viele von uns denken: Wer fliegt denn nicht gerne zu den einen oder anderen Wettbewerben? Wer hat denn nicht zu viele Laufschuhe im Kasten oder Funktionsshirts im Schrank? Hall klagt nicht an, das liegt ihm fern. Was er viel mehr tut, ist, Probleme aufzuzeigen und Lösungen anzubieten.

DER LÄUFER. Mit dem Sieg des 268 Meilen (431 Kilometer) langen Spine Race im Jahr 2023 hat sich Damian Hall, Ultra-Running-Legende und inov-8-Athlet einen persönlichen Traum erfüllt, während sein Mannschaftskollege Jack Scott an seiner Seite durchs Ziel lief und aufgrund von ausgefassten Zeitstrafen Zweiter wurde. Damian bewältigte ‘das brutalste Rennen Großbritanniens’ in 84 Stunden, 36 Minuten und hat damit eine neue Rekordzeit vorgelegt – keine schlechte Leistung, wenn man bedenkt, dass es sich dabei um eines der härtesten Ultramarathon-Rennen der Welt handelt.

Der 47-Jährige meint: „Es war ein lang gehegter Traum von mir, das Spine Race zu gewinnen. Ich habe 2014 zum ersten Mal teilgenommen und wurde Vierter. Nie hätte ich gedacht, dass ich auch tatsächlich einmal als Sieger ins Ziel kommen würde, bis ich es im letzten Jahr doch als realistisch erachtete, nur um dann nach 180 Meilen (290 Kilometer) verletzungsbedingt aufgeben zu müssen. Ich war wirklich frustriert und das Gefühl hat mich die letzten zwölf Monate begleitet. Dieses Jahr wollte ich also wieder dabei und noch besser sein. Jack hat mich mit seiner unglaublichen Motivation in Richtung Sieg getrieben und es freut mich sehr, dass wir mit der insgesamt zweit- bzw. drittschnellsten je gelaufenen Zeiten die Strecke bewältigen konnten.” 

Das Spine Race ist für seine Schonungslosigkeit berüchtigt. Es findet im Winter in einer abgelegenen, gebirgigen Landschaft statt, die Läufer transportieren ihr eigenes Gepäck und schlafen nur dann, wenn sie unbedingt müssen. Sie bewältigen mehr als 11.700 Höhenmeter auf dem ältesten National Trail Großbritanniens. Als Damian und Jack die Ziellinie überquerten, hatten bereits rund 60 der insgesamt 158 Teilnehmer aufgegeben.

DER AUTOR. „Ich habe unmögliche Mengen an Zeit auf mein neues Buch ‘We Can’t Run Away From This’ verwendet. Es ging mir nie ums Geld (wenn ich etwas damit verdiene, dann geht ein Großteil davon an Greenpeace), sondern mehr um die Botschaft, die leider weder einfach auszudrücken noch einfach zu verdauen ist: Laufen ist überraschend schlecht für unseren Planeten.” 

„Dabei geht es jedoch nicht nur ums Laufen. Ein Gutteil dieser Informationen trifft zur Gänze auch auf andere Sportarten und Freiluftaktivitäten zu. Untersuchungen haben gezeigt, dass Läufer eine bis zu 40% höhere Treibhausgas-Bilanz als der Durchschnittsbürger haben. Eine Studie kam zu dem Schluss, dass „Einzelsportarten mehr Emissionen produzieren als Mannschaftssportarten … [und] Teilnehmer in Natursportarten die höchsten Emissionswerte [hinterlassen].” Ein ziemlicher Reinfall. 

„Auch wenn ich der Meinung bin, dass jeder einzelne in erster Linie auf seine eigene Treibhausgas-Bilanz schauen sollte, gibt es drei große Bereiche, in denen wir insgesamt unsere Auswirkungen reduzieren können.”

Reisen

„Die meisten Läufer und Outdoor-Enthusiasten verursachen den größten Teil ihrer individuellen Emissionen durch das Reisen, welches für ein Fünftel der globalen Emissionen verantwortlich ist. Ein Flug von London nach Berlin erzeugt den dreifachen Wert an Emissionen, der in einem Jahr durch Recycling eingespart werden kann. Und die USA und China erzeugen mehr Emissionen durch Boardingpässe als Großbritannien.” 

„In den meisten Fällen wird durch eine Zugreise ein Drittel bis ein Viertel des Treibhausgasgehalts einer Flugreise erzeugt. Mit fossilem Brennstoff betriebene Autos sind nicht viel besser als Flüge. Je größer sie sind und je weniger Passagiere sie transportieren, desto mehr Treibhausgase geben sie ab (wenn SUVs eine Nation wären, würden sie in Sachen Emissionen den siebten Platz weltweit einnehmen und bereits alle Fortschritte, die durch Elektro- und Hybridfahrzeuge gemacht werden konnten, zunichte gemacht haben). Vier Personen in einem Fahrzeug hingegen erzeugen in etwa gleich viele Emissionen wie eine Zugfahrt, weshalb Fahrgemeinschaften, um zu Rennen zu kommen, eine echte Einsparung in Sachen Treibhausgase sind.”  

„Das Laufen selbst ist natürlich CO2-neutral, ebenso wie Radfahren (solange das Rad vollständig durch Eigenleistung angetrieben wird, ansonsten ist es beinahe genauso schlecht wie ein Auto). Ich habe herausgefunden, dass ich zu Rennen, zu denen ich früher geflogen bin (zum Beispiel zum UTMB), genauso gut mit dem Zug anreisen kann. Aber seitdem ich mehr darüber weiß, wie das Reisen die Umwelt beeinträchtigt, möchte ich ohnehin nicht mehr an so vielen Rennen im Ausland teilnehmen.”

Ausrüstung

„Die Laufsportschuh-Industrie erzeugt in etwa so viele Emissionen im Jahr wie das gesamte Vereinigte Königreich. Das muss man einfach einmal gesagt haben. Fast alle dieser Schuhe sind komplett aus Kunststoff gefertigt (bedeutet fossiler Brennstoff), fast alle sind nicht wiederverwertbar und zudem behaupten die meisten Marken, dass wir uns nach knapp 500 Kilometern ein neues Paar kaufen sollten, um uns nicht zu verletzen (was von keiner einzigen Studie belegt wird).”  

„Die Bekleidungsindustrie als Ganzes ist für ein Vielfaches an zusätzlicher Umweltverschmutzung verantwortlich und zeichnet möglicherweise für bis zu zehn Prozent des globalen Treibhausgasausstoßes verantwortlich (auch wenn diese Zahl als umstritten gilt). Und dann gibt es noch die große Bandbreite ökologischer und ethischer Probleme rund um den Produktionsprozess: Massiver Wasserverbrauch und Wasserverschmutzung, giftige Farbstoffe und nicht abbaubare Chemikalien, Sklaven- und Kinderarbeit, die Tatsache, dass 69% unserer Kleidung aus fossilen Brennstoffen gefertigt werden – also genau jener Substanz, die wir ab sofort nicht mehr verwenden sollten – und die Millionen Mikrofasern, die in den Ozeanen landen und dort die Tierwelt, und möglicherweise auch uns, schädigen. Als Konsumenten verursachen wir jedes Mal, wenn wir Kleidung (aber nicht Schuhe) waschen und trocknen, reichlich Treibhausgasemissionen (und sondern gleichzeitig weitere Mikrofasern ab).”

„Die Branche tut sich durch sogenanntes ‘Greenwashing’ hervor und heftet sich auf ihre Banner, ‘umweltfreundlich’ zu sein, während sie weiterhin einen endlosen Strom an Produkten auf den Markt bringt und damit die Überkonsumierung anheizt. Sollten wir nur Kleidung der Marke Patagonia kaufen, aus Bambus gefertigte T-Shirts und aus Pilzen gefertigte Schuhe tragen, wenn uns der Planet am Herzen liegt? Nun, auch diese Materialien erzeugen bei der Produktion Treibhausgase und dabei sind sie möglicherweise weniger langlebig. Die nachhaltigste Ausstattung ist jene, die wir bereits haben und tragen. Wir müssen weniger kaufen und für längere Haltbarkeit sorgen.” 

Ernährung

„Wir wissen bereits, dass rotes Fleisch mit einigen der schlimmsten Krankheiten in Zusammenhang gebracht werden kann und es ist ja auch nicht wirklich tierfreundlich. Zudem ist es nicht gut für den Planeten. Fleisch- und Milchprodukte sind für 18% der globalen Treibhausgase verantwortlich, mehr also als das Reisen. Rindfleisch ist bei weitem der schlimmste Verursacher – allein für die Produktion eines Kilos Rindfleisch zahlt der Planet mit einem Ausstoß von 99 Kilogramm an Treibhausgasen. Das ist unglaublich ineffizient und diese Zahlen waren für mich schlussendlich der Anlass, zum Veganer zu werden. Ein Viertel unserer Treibhausgas-Bilanz kommt von Nahrungsmitteln und kann um über 70% Prozent reduziert werden, indem wir Fleisch und Säfte weglassen.”  

„Ja, es gibt viel zu viele Plastikverpackungen, aber schlussendlich kommt es auf die Lebensmittel in diesen Verpackungen an – fast alle Fleisch- und Milchprodukte sind schlechter für den Planeten als Pflanzen. Leider ist ‘nachhaltig’ erzeugtes Rindfleisch tatsächlich schlechter und lokal produzierte Nahrungsmittel sind ökologisch gesehen normalerweise nicht viel besser (90 % der internationalen Lebensmittel werden verschifft, was wirklich effizient ist). Lebensmittelabfälle sind eine echte Verschwendung und haben hinsichtlich der Auswirkungen mehr Bedeutung als Herkunft oder Verpackung.” 

Was können wir tun?

„Wir sind noch nicht an dem Punkt angelangt, an dem wir darüber nachdenken sollten, alles, was wir gerne tun, komplett aufzugeben und wir müssen uns auch nicht für unsere Existenz schämen. Fast keine der oben genannten Punkte sind unsere Schuld. BP hat das Konzept der persönlichen CO2-Bilanz erfunden – Grundlage der Idee, dass Einzelpersonen und nicht riesige milliardenschwere Konzerne für den klimatischen und ökologischen Notstand verantwortlich gemacht werden sollten.”

„In meinen Augen ist es recht einfach: Geben wir alle – jeder einzelne – unser Bestes in den drei großen Themen Reisen, Ausrüstung und Ernährung. Niemand ist perfekt, das geht nicht. Wir streben nach Fortschritt. Doch darüber hinaus sollten wir alle eine systematische Veränderung vorantreiben und etwas mehr zu Aktivisten werden. Wir sollten uns an Protesten beteiligen, zivilen Ungehorsam üben, uns online engagieren, an Politiker, unsere Lieblingsmarken und Unternehmen schreiben. Wir sollten mit jedem, der bereit ist zuzuhören, diese Themen ansprechen, allen voran Freunde und Familie, wir sollten The Green Runners, Protect Our Winters, Extinction Rebellion, Greenpeace, Just Stop Oil beitreten. Das hat größeren Einfluss. Greta Thunberg hätte nicht den Einfluss haben können, den sie hatte, wenn sie zu Hause geblieben wäre und ihre Humus-Behälter vor dem Recycling gewaschen hätte, statt auf die Straße zu gehen und zu protestieren.”

Was können Marken tun?

„Weniger produzieren. Dinge produzieren, die länger halten. Uns dabei helfen, die Haltbarkeit unserer Ausrüstung zu verbessern. Verantwortung für die Ausrüstung übernehmen, nachdem wir das meiste herausgeholt haben. Marken sollten ihre CO2-Bilanz einem unabhängigen Audit unterziehen und einen transparenten Plan zur aggressiven Reduzierung haben. Außerdem sollten transparente Lieferketten die Norm sein, damit wir unethische Praktiken abschaffen können. Am besten einfach mit dem ganzen Schwachsinn aufhören.”

Was Veranstaltungen tun können

„Die Reduktion oder komplette Eliminierung von Plastikmüll und all diesen furchtbaren T-Shirts ist ja ganz schön, aber es betrifft nur einen winzigen Teil der Ökobilanz einer Veranstaltung. In vielen Fällen werden 90% der Emissionen durch die An-/Abreise der Teilnehmer verursacht. Wir müssen Aufmerksamkeit, aber auch Incentives für Läufer schaffen, die sich für eine CO2-ärmere Reisealternative entscheiden. Vielleicht sollten die Startzeiten bei Rennen so gelegt werden, dass sie mit den Ankunftszeiten öffentlicher Verkehrsmittel kompatibel sind oder Rabatte für CO2-ärmere Reiseoptionen gegeben werden, während jene, deren Anreise mehr CO2 verursacht, ‘bestraft’ werden.” 

„Auch wenn es so nicht gewollt war, denke ich, dass dies alles ein bisschen frömmelnd bzw. nach Predigt oder Fingerzeig klingt. Ich bin nicht perfekt. Die ganze Sache ist komplex und nicht immer einfach zu beheben. Aufmerksamkeit zu schaffen ist ein erster Schritt.“

„Wir sollten auch nicht vergessen, dass das Laufen einfach nur eine tolle Sache ist. Es sorgt für echte Glücksgefühle, bringt Vorteile für die Gesundheit mit sich, ist sinnstiftend, und Millionen von Menschen ernten dafür Applaus von Strava. Im Vergleich zu anderen Sportarten und Aktivitäten hat es eine relativ geringe Auswirkung auf die Umwelt – aber auch das könnte besser sein.“

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