16:24:51 Uhr am Mittwochnachmittag, 17. September, in Courmayeur: 78:24:51 Stunden nach seinem Start am Sonntag, 10 Uhr, ist Florian Grasel (BOA Trail Team + Kailas)
wieder zurück in … Courmayeur. Er hat den Tor des Géants, ein Biest von 335,6 Kilometern mit rund 24.000 Höhenmetern bewältigt. Der niederösterreichische Ultratrailrunner platziert sich auf Platz zehn und beweist damit einmal mehr, international eine große Nummer zu sein.
Dass Grasel es national ist, hat er in all den Jahren seiner Karriere zur Genüge unter Beweis gestellt, allein im laufenden Jahr stechen seine Erfolge beim Hochkönigman und beim Grossglockner Ultra Trail (ex-aequo mit Mathias Deutschbauer) heraus. International wurde er Neunter beim UTMB 2018, 17. beim TDS 2021, Erster beim Eiger 250 im Jahr 2022 (gemeinsam mit Tom Wagner), Zweiter beim PTL 2024 (erneut mit Wagner) und nun eben Zehnter beim Tor des Géants, der Tour der Giganten.
Text: Florian Grasel erzählte, Egon Theiner hörte zu
Bilder: Roast Media/Florentin Haunold
Wie mit einem Messer zu einem Pistolenduell zu kommen. „Der TOR des Géants hat mich von Beginn an überrascht. Schon nach den ersten 50 Kilometern hatte ich das Gefühl, mit einem Messer in einen Kampf gegen Faustwaffen-Träger gezogen zu sein. Ich bin viel gelaufen, auch den PTL – aber das war etwas völlig anderes: dort geht es mehr um Abenteuer und Bergsteigen. Der TOR ist ein echter Lauf – mit viel Powerhiking, aber eben auch mit konstantem, hartem Laufen. Ein Rennen in dieser Form und Härte habe ich noch nie erlebt.“






Wenn das Ziel das Podest ist, ist Platz zehn eine Enttäuschung. „Ich habe den TOR des Géants als Zehnter beendet. Auf dem Papier ist das eine gute Platzierung, aber mein Ziel war klar das Podest – und das habe ich verpasst. Sehr schnell habe ich gemerkt: Der TOR folgt ganz eigenen Regeln. Ich dachte, wie beim UTMB sei Support nur bei den Life Bases erlaubt. Stattdessen hatten viele Läufer ihre Crew an jeder Hütte, an jedem kleinen Verpflegungspunkt. Meine ganze Strategie war aber auf Abschnitte von 50 km und/oder acht bis zwölf Stunden zwischen den großen Verpflegungspunkten ausgelegt – ich hatte alles mit, habe meine Flasks selbst gemischt, während andere nur neue Flaschen bekamen und sofort weiterliefen. Das hat mich aus dem Konzept gebracht.“
Die Sache mit der Erfahrung. „Dazu kommt die Erfahrung: die erste Frage in einer Läufergruppe war oft ‘Wie oft bist du schon dabei?’ und die Antworten gingen von vier bis zehn Teilnahmen. Oder: ‘Wie oft bist du die Strecke dieses Jahr im Training gelaufen?’ Spitzenwert: zweimal. Da merkt man: Erfahrung zählt hier enorm. Und diese fehlt mir aktuell noch, wenn es darum geht, ganz vorne mitzulaufen.“






Große und kleine Fehler summieren sich. „Mein größter Fehler war, die Strategie während des Rennens anpassen zu wollen – zusammen mit meinem 76-jährigen Vater, der mich unterstützt hat und während des Rennens auch noch Geburtstag hatte. Wir haben versucht, Station für Station neu zu planen. Aber in den Bergen kann man nicht einfach Dinge weglassen – und manche Entscheidungen sind mir fast zum Verhängnis geworden.“
„Viele kleine Fehler haben sich summiert: Am zweiten Tag in der Hitze habe ich durchgepusht, weil ich nur mit den kleinen Petzl Bindi unterwegs war und Angst hatte, in die Nacht im technisch schwierigen Abschnitt zu kommen. Ich habe wegen einer Nullprozent-Regenvorhersage am Tag auf die Regenhose und Überziehhose verzichtet und stand dann in der Nacht im Wind und in der Kälte da. Ich habe an einer lauten Zwischenstation keine Minute Ruhe gefunden, weil ich keine Ohrstöpsel eingepackt hatte. Diese Kleinigkeiten haben mich beinahe aus dem Rennen geworfen.“
Das nächste Mal mit der richtigen Waffe dabei. „Der TOR ist brutal, weil er nicht nur aus Laufen besteht – es geht um Logistik, Strategie, Ausrüstung und mentale Stärke. Die Spitzenläufer haben alles auf 10–12 km lange Abschnitte abgestimmt, haben sogar überlegt, wann sie die Stöcke weglassen. Das ist ein anderes Level an Vorbereitung. Am Ende habe ich mich trotzdem durchgebissen, meinen Rhythmus wiedergefunden und das Ziel erreicht. Ich habe den Drachen getroffen – und ich habe viel gelernt. Beim nächsten Mal komme ich auch mit einer richtigen Waffe.“
„Ich verlasse den Tor des Géants mit einem Gefühl der Demut, aber auch der Zufriedenheit und des Stolzes. Ich hatte nur ein Messer dabei, habe aber die Flinte nicht ins Korn geworfen.“
Die Gesamtsieger. 66 Stunden, 08 Minuten und 22 Sekunden. Das ist der neue Rekord des TOR330, der vom neuen König der Giganten, Victor Richard, aufgestellt wurde. Bei den Frauen gewann die Niederländerin Noor van der Veen in 79:34:30 Stunden. Hier geht es zu den Ergebnissen.
