Trailrunning wird zum Business, und Doping ist auf dem Vormarsch

Joyline Chepngeno wurde positiv getestet und ist der nächste Dopingfall im Trailrunning. Es mag ein Fall sein, der exemplarisch aufzeigt, wie sich der Sport verändert, und wie jeder Dopingtest gleichzeitig eine „Watschn“ sein kann, sicher aber eine Wachstumschance bedeutet.

Text: Egon Theiner
Bild: © UTMB® Quentin Iglesis

Die Ortschaft Keringet ist 175 Kilometer oder dreieinhalb Stunden mit dem Auto von Iten entfernt, erstere ist Geburtsort, zweitere immer wieder Trainingsstätte von Joyline Chepngeno. Die Kenianerin ist der jüngste Dopingfall im internationalen Trailrunningsport, die 27-jährige Afrikanerin wurde nach ihrem Triumph beim Klassiker Sierre-Zinal in der Schweiz einer Dopingkontrolle unterzogen und positiv auf Triamcinolonacetonid (ein injizierbares Kortikoid) getestet. In einer konzertierten Aktion veröffentlichten mehre Institutionen, begonnen bei der Athletics Integrity Unit (zur Presseaussendung) quasi zeitgleich die Nachricht über diesen Dopingfall, Salomon trennte sich von der Sportlerin am selben Tag, und einen Tag später war Chepngeno auch ihren Sieg bei den UTMB Finals los. Die Organisatoren korrigierten das Ergebnis des OCC (Orsières-Champex-Chamonix, 61 km/3400 Hm) und sprachen den Sieg Yao Miao aus China zu.

13.000 € für einen Sieg, vier Dollar für einen Tag

Business as usual, möchte man meinen. Die Doping-Situation in der kenianischen Laufwelt ist eine Katastrophe, die Überraschung, dass es eine weitere Sportlerin aus diesem Land getroffen hat, sei nicht allzu groß, analysiert eine Quelle von trailrunningworld.net vor Ort in Iten. Sie will namentlich nicht genannt werden.

„Wir müssen uns vor Augen halten, dass ein normales Einkommen in Kenia zwischen 100 und 300 Dollar beträgt, dass es für einen Tag Arbeit auf den Feldern drei oder vier Dollar gibt. Es mag im Trailrunning nicht, oder noch nicht, das große Geld zu holen sein, die Siegprämien (2000 € in der Schweiz, 13.000 € in Chamonix, Anm.) sind allemal verlockend. Dafür kann man schon auch ein Risiko in Kauf nehmen.“

Und weiter: „Es geht nicht einmal darum, die Athleten und Athletinnen zu kriminalisieren. Es sind zu viele Halunken unterwegs, die talentierte und schnelle aber in den allermeisten Fällen wenig gebildete Personen mit großen Versprechungen und der Aussicht auf Ruhm und Ehre und Geld in ihr Fahrwasser und zum Doping bringen, um aus ihnen Profit zu schlagen.“

Wird jemand erwischt, passiert nicht viel – wie auch: Schlimmstenfalls kehren die Dopingsünder:innen nach einigen Auslandsreisen zu ihrem Leben von vorhin zurück, bestenfalls haben sie Preis- und Sponsorengelder schon investiert, „in ein Stück Land, in zwei Kühe“. Und wer seine Familie, seinen Clan, seinen Stamm schon unterstützt hat, der wird ohnehin als Wohltäter weiter geschätzt, dann sind es die anderen, die einen Fehler gemacht haben.

Doping folgt der Spur des Geldes

Der Fall Joyline Chepngeno ist der nächste Dopingfall, die die Trailrunningwelt erschüttert. Erschüttert? Tut er dies wirklich? Oder ist Trailrunning eigentlich  auf dem Weg, eine große und wichtige Realität im internationalen Sport zu werden? Wenn Doping der Spur des Geldes folgt, dann sind positive Dopingkontrollen Evidenz dafür, dass es auf den Trails immer mehr zu verdienen gibt. Spitzenathlet:innen können über Sponsorenverträge sechsstellige Beträge generieren, die Preisgelder werden auch immer höher – bei den World Mountain and Trail Running Chmapionships (WMTRC) in Canfranc Pirineos in Spanien, die am 22.9. beginnen, werden 100.000 Dollar ausgeschüttet. Keine Frage – da geht noch mehr.

Ein Kenianer, der den Marathon in 2:07 Stunden läuft, ist ein Niemand, ein Mitteleuropäer, der dies schafft, würde mit Sponsorenverträgen überhäuft. Sagt die Quelle in Iten: Große Marken investieren dort, wo großer Umsatz erzielt werden kann, und Afrika, siehe oben, gehört da nicht gerade dazu. Insofern wird Salomon an Joyline Chepngeno nicht finanziell ausgeblutet sein, ein kleinerer fünfstelliger Betrag könnte es wohl gewesen.

Die Athletin hat gestanden und die Strafe akzeptiert, der Fall ist ruck-zuck geschlossen worden. Ein „back to normal“ sollte es dennoch nicht geben. Out-of-competition-Tests sind im Trailrunning sehr überschaubar und finden nur dann statt, wenn die Sportler:innen in ihren nationalen Verbänden registriert sind (wie beispielsweise in Kenia). Die Basis für Überraschungskontrollen wäre somit gegeben. Pikanterweise könnten Trailrunner indes auch des Dopings überführt werden, wenn sie sich sportlich auf anderen Plätzen tummeln und als SkiMo- oder Bahnlauf-Sportler:innen im nationalen Antidoping-Test-Pool gelistet sind.

run2gether against Doping

Thomas Krejci – er darf genannt werden – ist gerade in Kals in Osttirol, wo er und sein Verein run2gether Laufkurse und Trainings für Jedermann und Jederfrau anbieten. Zu sagen, dass er ein Vereinsobmann sei, ist richtig und gleichzeitig nicht genug. Er ist Manager von einer Reihe der wichtigsten Trailrunner der Szene. Sie kommen aus Kenia und heißen Patrick Kipngeno, Philekon Kiriago, Michael Selelo Saoli, respektive Zweiter, Dritter und Vierter in der Gesamtwertung der Golden Trails World Series vor dem großen Finale in der ersten Oktoberhälfte, und Philiaries Kisang ist Siebte in der Damenwertung.

2014 musste er eine Klarstellung publizieren, als eine Sportlerin seine Gruppe verließ – und unter neuer Führung ein paar Monate später positiv getestet wurde. Das war zu einer Zeit, in der Trailrunning begann, am Horizont der öffentlichen Wahrnehmung zu erscheinen.

„Selbstverständlich ist Geld eine starke Antriebsfeder, wenn wir über Doping reden”, sagt Krejci. “Ob ich mir einen Fall wie diesen erwartet habe? Hm, erwartet, das ist ein großes Wort.” Der Österreicher mag es nicht, über ein Dopingvergehen zu sprechen, das nur in Grundzügen bekannt ist und bei dem in alle Richtungen spekuliert werden könnte: Fehler der Betreuer? Fehler der Athletin? Bewusst? Ungewollt? So viele Fragen, so wenige Antworten.

Und deswegen  spricht Thomas Krejci viel lieber über eine Situation, die er bis in Detail kennt – über jene bei run2gether nämlich. “Wir thematisieren Doping seit über zehn Jahre schon”, erklärt er, “bei uns im Team ist die Bekämpfung des Dopings omnipresent. Wir bemühen uns, prophylaktisch zu arbeiten, reden mit den Sportlern und Sportlerinnen, setzen regelmäßige Aktivitäten, halten Seminare, verpflichten unsere Sportler:innen, jährlich einen vierteiligen e-learning Kurs zu absolvieren und jedes Modul positiv abzuschließen.” Auch er unterstreicht den Umstand, dass sehr viele kenianische Athlet:innen wenig bis gar keine Schulbildung besitzen, dass gewisses Wissen nicht vorausgesetzt werden kann, und dass ein größerer finanzieller Druck dann entsteht, wenn das Leben mit Preisgeldern finanziert werden soll. “Kenianer sind zudem leichtgläubig und vertrauen sehr schnell. Wenn wir die Produkte unserer Nahrungsergänzungs-Partner ausgeben, jene von Bix Nutrition und Eqology, dann sehe ich, wie sehr man uns vertraut und an uns glaubt. Wir könnten ihnen alles geben, und es liegt liegt an jedem, dieses Vertrauensverhältnis nicht zu missbrauchen.”

Die Hand ins Feuer würde Krejci dennoch nicht für eines seiner Teammitglieder legen. “Wir arbeiten hart daran, das Thema Doping in den Kopf aller zu bekommen und präsent zu halten, doch gleichzeitig weiß ich, dass wir den schlimmsten Fall nicht verhindern könnten. Wir reden von Einzelsportlern, die nicht immer im Camp sind, die mit anderen Personen zusammentreffen, Beeinflussungen von verschiedenen Seiten erleben. Als Trainer, Manager, Betreuer können wir sehr viel machen, aber eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht.” Er sagt dies im Wissen, dass ein Dopingfall bei run2gether verheerend wäre und negative Konsequenzen hätte, und was für welche.

Krejci: “Wir müssen im Trailrunning für jeden gemachten Dopingtest dankbar sein, jeder einzelne ist super – klar ist aber auch, dass jeder Test auch die Möglichkeit eines positiven Ergebnisses in sich trägt.”

Doch dann sagt der Mann, der das Gespräch mit den nationalen Antidoping-Agenturen in Österreich (NADA) und Kenia (ADAK) suchte und auf deren Unterstützung bauen kann, bemerkenswerte Sätze wie: “Ich will im Team keinen, der dopt – da ist es mir lieber, dass er oder sie erwischt wird.” Oder: “Es gibt nichts Schlimmeres, als einen Doper in der Mannschaft zu haben.”

Für Thomas Krejci ist klar, dass immer mehr Geld im Trailrunning auch immer mehr Gedankenkaruselle in Kraft setzen. Wie komme ich an die Kohle? Welche erlaubten und unerlaubten Mittel gibt es? Krejci wiederholt: “Es ist gut und richtig, dass Dopingfälle aufgedeckt werden.”

Ein bitterer Nachgeschmack bleibt dennoch. Der Generalverdacht gegen, sagen wir: alle kenianischen Läufer und Läuferinnen, kann das run2gether-Mastermind zwar nachvollziehen, doch bei einem Generalverdacht fehlt – naturgemäß – die Differenzierung. “Unser Verein ist mittendrin in dieser Diskussion (um saubere und weniger saubere Athlet:innen, Anm.), und man sollte schon genauer hinschauen.”

Joyline Chepngeno war nicht die erste Dopingsünderin im Trailrunning, noch wird sie die letzte gewesen sein. Doping folgt der Spur des Geldes. Es sind die Institutionen gefordert, den Sport weiter zu professionalisieren und ihn nicht der schwarzen Seite der Macht zu überlassen. Dann, wenn es – sehr überspitzt formuliert – mehr Doping-Fälle als Rennen “by UTMB” gibt, ist der olympische Traum auch wieder ausgeträumt.

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