Zehn Wochen vor Canfranc: Welchen Stellenwert die WMTRC haben

Chiang Mai, Innsbruck-Stubai und jetzt Canfranc. Wie sehr sich die World Mountain and Trail Running Championships vor dem Start der dritten Auflage schon etabliert haben und wohin die Reise geht.

Text: Klaus Molidor
Fotos: WMTRC 2023/Roast Media

Von 25. bis 28. September steigen im spanischen Pyrenäenort Canfranc zum dritten Mal die World Mountain and Trail Running Championships kurz: WMTRC. Alle Spielarten des Laufens im Gelände sind unter dem Dach einer Weltmeisterschaft vereint – vom Berglauf (Uphill) über das Mountain Classic, einer Strecke mit Bergauf- und Bergab-Passagen die auf einem Rundkurs gelaufen wird, bis zu den Trail-Bewerben Short (in etwa Marathondistanz) und Long (rund 80 Kilometer), bei denen es auch mehrere Tausend Höhenmeter zu bewältigen gilt.

Zwei Monate vor der dritten Auflage der WMTRC stellt sich die Frage: Welchen Stellenwert hat diese Veranstaltung erreicht und wohin geht die Reise? Wenn man Michael Geisler fragt, den Trailrunning-Referenten des ÖLV, dann geht die Reise nach oben. „Ich verfolge das Geschehen schon seit vielen Jahren. Der Stellenwert steigt ganz sicher an. Das sieht man auch daran, dass etwa die USA ihre stärksten Athletinnen und Athleten nach Canfranc schicken. Und im deutschen Aufgebot fehlt nur Hannes Namberger“, sagt Geisler. Der Dynafit-Athlet hat sich für den Western States Endurance Run entschieden und jüngst auf Trailrunningworld.net gemeint: „Ich mache nur das, für das ich wirklich brenne.“

Bei den Damen könnte das deutsche Aufgebot auf der langen Trail-Distanz tatsächlich nicht hochkarätiger sein. Vize-Weltmeister Katharina Hartmuth, Rosanna Buchauer (5.), Ida-Sophie Hegemann (15.) und Eva-Maria Sperger (20.) haben im Team in Innsbruck-Stubai Silber geholt, dazu kommen Debütantin Lotti Brinks und Lisa Wimmer.

In Österreich werden die Nominierungen erst Anfang August bekannt gegeben. Aber Geisler kann schon so viel verraten: „Die Athleten haben eine mündige Entscheidung getroffen und sich zwischen UTMB Ende August und WMTRC Ende September entschieden. Manche ziehen die WM vor, weil sie beim UTMB schon gelaufen sind, andere wiederum wollen beim UTMB starten und erfolgreich sein.“

Michael Geisler

Der Ultra Trail du Mont Blanc ist also immer noch zumindest eine Stufe über der Weltmeisterschaft WMTRC. Logisch, denn die Veranstaltung ist etabliert, die WMTRC dagegen vergleichsweise noch in den Kinderschuhen. Ob der Stellenwert weiter steigt, wird auch davon abhängen, ob es einen terminlichen Verdrängungs-Wettkampf gibt, oder man einander Raum lässt. „Optimal wäre, wenn UTMB und WMTRC mit so einem zeitlichen Abstand ausgetragen werden, dass man beide machen kann“, sagt Geisler. Heuer geht sich das mit einem Monat Distanz nicht aus. „Bei den Temperaturen im Sommer wäre eine Austragung im Juni aber auch nicht möglich“, sagt er. 

„Innsbruck war eine echte Publikums-WM“

Eine Rolle spielt auch die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. Sport-Events mit hohem Prestige ziehen viele Zuschauer an. Fußball-WM, Wimbledon-Finale, 100m-Sprint – schwer vorstellbar, dass diese Events nur vor einer Handvoll Zuschauern ausgetragen werden. Umgekehrt steigt mit der Zuschauer-Anzahl der Stellenwert. „Was das betrifft, war Innsbruck-Stubai super“, sagt Geisler. „Eine echte Publikums-WM.“ Die geografische Lage der Stadt hat es möglich gemacht, viele Fans ins Ziel und an die Strecken zu locken. „Weil es von der Stadt auf die Trails nur wenige Minuten sind.“ Dazu ist die Innsbruck per Auto, Bahn und Flugzeug sehr gut erreichbar – eine fast unübertreffliche Konstellation, die es weltweit kaum in der Form gibt.

Das sieht heuer in Canfranc schon anders aus. Der Ort liegt abgeschieden an der spanisch-französischen Grenze in den Pyrenäen.  Der nächste Flughafen liegt in Pamplona, rund 130 Kilometer von Canfranc entfernt. „Die Strecken und die Trails dort sind toll“, sagt Geisler. „Für die Athleten selbst wird das sicher eine tolle WM. Aber ich hoffe auch, dass man die Weltmeisterschaften nicht nur dorthin vergibt, wo ein paar Funktionäre, Verwandte und eine Handvoll Zuschauer kommen.“ 

Im zweiten Weltkrieg galt Canfranc als Umschlagplatz für Nazigold an Spanien und Portugal, mit dem man für Wolfram bezahlt hat, das ein wichtiger Rohstoff für die Wuchtgeschosse der deutschen Wehrmacht war. Dazu kommt das 241 Meter lange historische Empfangsgebäude des Bahnhofs, das dann zu einem Luxushotel umgebaut wurde, das als Royal Hideaway Hotel im Dezember 2022 eröffnet wurde. 

Die öffentliche Wahrnehmung hat auch einen Einfluss auf einen nicht unwesentlichen Faktor: das Geld. Top-Athleten haben Ausrüsterverträge und Sponsoren, die ihre Logos gerne in digitalen und analogen Medien repräsentiert sehen. Nicht selten entscheiden auch Sponsoren darüber, wo ein Athlet starten sollte. „Da merke ich auch, dass der Stellenwert der WMTRC gestiegen ist“, erklärt Geisler. „Einige Firmen sehen das schon lockerer und finden es okay, wenn Sportlerinnen und Sportler die WM bestreiten und dafür nicht bei den UTMB-Rennen an den Start gehen.“

Geisler erlebt den gestiegenen Stellenwert der WMTRC und damit auch des Trailrunning an sich aber auch anhand belastbarer Fakten und am eigenen Leib. Wurde Trailrunning im Österreichischen Leichtathletik Verband ÖLV als Anhängsel gesehen, dass kein Geld in die Kassen spült, sondern hauptsächlich Kosten verursacht, so hat vor allem die WM in Innsbruck-Stubai 2023 etwas zum Positiven verändert. „Es ist nicht so, dass wir jetzt im Geld schwimmen“, sagt Geisler. „Aber wir können jetzt gemeinsam mit Tourismus-Regionen in der Vorbereitung Team-Camps veranstalten.“ 

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