Hannes Namberger: „Wenn du heute so trainierst wie vor drei Jahren, hast du keine Chance“

Fünf Deutsche und zwei Österreicher sind mit dabei, wenn am 28. Juni der diesjährige Western States Endurance Run gestartet wird, unter ihnen sind auch Rosanna Buchauer und Hannes Namberger, die sich ein so genanntes „Golden Ticket“ erlaufen haben für den ältesten aller Hundertmeiler.

Und so geht es heute, 14. Juni 2025, für Hannes Namberger nach seinem Abstecher zum „Canyons Endurance Run by UTMB 100k“, den er als Dritter beendet hatte, wieder in die USA. Zehn Tage im Zielort Auburn stehen an, um sich an die Hitze zu gewöhnen, dann der Umzug nach Olympic Valley, wo der Start auf 1900 m Seehöhe liegt. „Du musst dich entscheiden, ob du dich während der letzten Tage vor dem Wettbewerb an die Hitze oder die Höhe gewöhnen willst“, erklärt Namberger, „beides geht nicht.“

Text: Egon Theiner
Bild: Hendrik Aufm’kolk

Namberger, 36, UTMB-Index 904, ist der bekannteste und beste deutschsprachige Trailrunner, hat eine Liste von Top-Platzierungen, die ihresgleichen sucht, unter anderem: Vierter beim UTMB 2024, Sieger beim Transvulcania, MIUT, in Cape Town, Eiger Ultra  – und dreimal beim Lavaredo Ultra Trail. Der diesjährige Sieger wird im Ziel in Cortina in etwa zu einer Tageszeit ankommen, wenn in Olympic Valley der Startschuss fällt.

Und er könnte nun sagen, dass er in die USA fliegt, um seiner Karriere ein weiteres Highlight hinzuzufügen und um mit einer Top-Platzierung zurückzukehren.

Tut er nicht. Nicht sein Stil. Nicht seine Art.

„Meine Ansprüche behalte ich immer für mich. Ich sage nie, was ich vorhabe und was ich mir erwarte, denn du merkst erst am Tag zuvor, wie es dir geht. Es muss so vieles passen, um überhaupt gesund und in Form an die Startlinie zu kommen“, erklärt er. „Und dann werde ich eben laufen, was ich laufen kann.“

Gesund an die Startlinie kommen – das sollte eigentlich ein No-Brainer sein. Ist es aber nicht. Wie andere auch, ist der US-amerikanische Superstar Jim Walmsley nicht dabei, weil verletzt. Namberger sinniert. „Wenn du heute so trainierst wie vor drei Jahren, dann bist du nicht mehr dabei. Mit einer 100-Kilometer-Umfangswoche gewinnst du nichts mehr. Und weil das Training schon ein Balanceakt ist, zerreißt es dich vielleicht eben schon vorher.“

Andere Elite-Läufer kommen bis auf 200 Kilometer pro Woche, für Namberger sind 120 die Untergrenze und bezeichnet sieben Tage mit 130 km als „geile Woche“. Und er wiederholt. „Mit dem Training wie vor drei Jahren kannst du einpacken. Du musst dich umstellen, einfallsreicher werden, jeden Baustein in deinem Sportlerleben umdrehen. Beispiel Ernährung: Vor vier Jahren habe ich beim Lavaredo drei Gels in den ersten drei Stunden genommen, nun nehme ich drei Gels in einer Stunde. Das Gebot der Stunde lautet: High Carb ohne Ende, vor und während des Laufs, was zur Folge hat, dass die Regeneration kürzer ist, weil weniger im Reserve-Modus gelaufen wird.“

Namberger erzählt, dass andere bereits seit Jahren auf Bicarbonate setzen, um Laktatspitzen zu verhindern – er selbst hat diese noch nicht verwendet. „Aber es geht ja nicht nur um Nutrition. Es geht um Hitzetraining in Schwitzanzügen, um die Optimierung der Ausrüstung, es geht vor allem darum, dass du in allen Bereichen ein besserer Läufer – und nicht ein besserer Bergsportler – sein musst. Den Unterdistanzen wie 10 km, Halbmarathon, Marathon kommen große Bedeutung zu, wenn du die 42 km nicht unter 2:25 Stunden laufen kannst, hast du keine Chance.“ Dorthin gelangt man nicht nur laufenden Schrittes, Vielfalt ist eines der Schlüsselworte. SkiMo im Winter, Radsport im Sommer, Krafttraining – all diese Bereiche gehören gepflegt und optimiert.

Stichwort Bicarbonat
Bicarbonat, speziell Natriumbicarbonat, kann die sportliche Leistung, insbesondere bei hochintensiven Belastungen, durch Pufferung von Milchsäure (Laktat) verbessern. Es hilft, den Säuregehalt im Blut zu regulieren und ermöglicht so eine Verlängerung der Leistungsfähigkeit bei intensiven Intervallen. Allerdings kann die Einnahme auch zu Magen-Darm-Beschwerden führen.

Doch zurück zum Western States, und Training hin oder her: Europäer sind dort Außenseiter. Seit der ersten Edition des Laufs 1974 konnten lediglich zwei Europäer den Lauf für sich entscheiden (der Spanier Kilian Jornet, Sieger 2011, ist wieder dabei, und der Brite Tom Evans 2023), und Europäerinnen ebenso viele: Ellie Greenwood siegte 2011 und 2012, Beth Pascall (beide Großbritannien) gewann 2021.

„Wir sind an Stöcke und Rucksäche gewöhnt, an normale Temperaturen und daran, dass sehr viel Hiking dabei ist“, erklärt Namberger. „Beim Western States gibt es das alles nicht, es ist alles anders, besonders auch der Umstand, dass so gut wie alles durchgelaufen wird.“ Soll heißen: Es kommt auf den Laufstil und die Ökonomie des Laufens im Gelände an. „Wir sind nicht dafür gemacht“, formuliert es Namberger vielleicht eine Nuance zu drastisch, doch er zieht einen treffenden Vergleich mit Jim Walmsley und dem UTMB: Der Amerikaner hat sich wahrscheinlich auch erwartet, den Ultra Trail du Mont Blanc eher zu gewinnen, und nicht erst nach einigen Anläufen.

Was es in den USA auch gibt und in Europa kaum, sind die Pacer. Beim Western States wird Namberger unterstützt von  Sammy Grill, ein „Spezl“ von daheim, der gerade beruflich in den USA weilt, und von Fred Claes, einer aus dem Dynafit Shoe Development-Team und ein sehr guter Freund. Pacer können helfen und unterstützen, laufen muss er aber immer noch alleine.

Und dennoch ist es wichtig für Namberger, dort anzutreten, aus seiner gewohnten Bubble von Zeit zu Zeit auszubrechen, eine neue Herausforderung anzunehmen – sich dort zu beweisen, wo er sich, um es in seinen Worten zu sagen, nicht auskennt und auch nicht wohl fühlt.

UTMB, Western States, Hardrock 100, La Diagonale des Fous sind jene vier Läufer, die er bestritten haben will, ehe er aufhört – „und ich will nicht sagen: Das kann ich später noch machen“. Namberger plant, den OCC (55 km/3425 Hm) in der UTMB-Woche zu bestreiten und im Oktober nach Réunion für die berühmt-beruchtigte „Diagonale“ zu reisen. Die World Mountain and Trail Running Championships Ende September im spanischen Canfranc sind kein Thema für den Eliteläufer und Dynafit-Athleten aus Ruhpolding. „Ich mache nur das, für was ich wirklich brenne.“

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