Zheng Junyue führt ein eigenes Restaurant, entwirft Hochzeitskleider und ist eine verdammt gute Ultratrail-Läuferin. Den ULTRA GOBI 400 gewann sie nun zum zweiten Mal.
Egon Theiner aus Gobi Spring
Bilder: Ultra Gobi
Ihr UTMB-Index beträgt 605, ihre Resultate sind mehr als beachtlich. In Europa glänzte sie zuletzt beim Tor des Glaciers, einem 450 km langen hochalpinen Monster, wo sie Platz fünf in der Frauernwertung belegte. In Asien triumphierte sie beim vielleicht wichtigsten Langstreckenrennen in China nunmehr zum zweiten Mal. Zheng Junyue ist die Königin von Gobi Spring, in dieser feinen Oase betritt sie nicht einen Raum oder eine Szene, sondern sie erscheint. Fotoshootings und Video-Drehs sind angesetzt, Interviewanfragen müssen eher abgelehnt werden als bestätigt werden zu können.
Nachdenklich scheinen ihre Blicke ins Leere zu gehen, wenn sie über eine Frage sinniert, doch wenn sie dann spricht, hängen alle an ihren Lippen. Sie blickt mit Genugtuung zurück auf das vorige Jahr und sagt, dass es damals allein um den Sieg ging und sie für nichts Anderes Zeit und Lust hatte. „Und bei dieser Auflage war mir bald klar, dass ich den Streckenrekord nicht brechen würde. Ja, mehr noch: Nicht einmal der Sieg war prioritär. Und so schaltete ich auf Genuss-Modus um.“
Der Tor des Glaciers hat vielleicht doch ein paar Spuren hinterlassen, beschreibt doch die Frau aus Chengdu den ersten Streckenabschnitt als schwierig, weil sie sich müde fühlte. Doch dann wurde sie gelassener, blieb an fast jedem Checkpoint stehen und fühlte sich auch deswegen immer stärker.
„Das ist es, was den Ultra Gobi so speziell macht: die Menschen und die Landschaft“, sagt die Siegerin. „Die Volunteers waren so warmherzig und freundlich, sie haben für mich und auch andere Läufer kleine Geschenke vorbereitet und gaben mir ein „lucky deer“ als Glückbringer. Sie schrieben meinen Namen auf Steine, und sie alle wünschten mir viel Glück auf meinem Weg. Und dann – die Landschaft: so einzigartig, so berührend. Gobi ist der Ort, in der Mensch und Natur eins wird.“
Am 6. Oktober wurde das Mid-Autumn-Festival gefeiert, es sind Tage, in denen die Familie und die Gemeinschaft im Mittelpunkt stehen. In dieser Nacht war Zheng Junyue alleine unterwegs, begleitet nur vom Mond, der ihr den Weg leuchtete: „Obwohl ich nicht mit meinen Lieben war, so war es doch ein wunderbares Gefühl und ich werde dieses immer in mir bewahren.“
Zwei Siege bei einem Prestigerennen wie Ultra Gobi 400 machen Zheng zu einem Superstar ihres Sports im China. Wird sie nunmehr von jedem erkannt? „Bin ich froh dass nicht, doch gleichzeitig fühle ich mich auch geehrt, dass mich doch viele Leute kennen oder erkennen. Aber noch viel wichtiger ist mir der Umstand, dass ich sehr viele Frauen inspirieren konnte und kann, mit dem Laufen zu beginnen. Das macht mich glücklich und stolz.“

Sie selbst bezeichnet sich als part-time Profi, immerhin ist sie in ihrer Heimatstadt Chengdu Restaurant-Besitzerin („ich liebe gutes Essen!“) und bezeichnet Mode-Design als ihren Hauptjob. Ob sie auch Trailrunning-Shirt entwirft? Sie lacht: „Nein. Hochzeitskleider.“
Unklar ist ihr Antreten im kommenden Jahr beim Ultra Gobi 400. Sicher ist, dass sie hier oder anderswo vor ihrem „Finish-Line“-Moment den Lippenstift herausziehen und sich schminken wird. „Das ist eine spezielle Routine von mir. Mit aufgetragenem Lippenstift fühle ich mich stärker und kräftiger und befähigter.“
Wenn es doch nur so einfach wäre, mit ein bisschen Make-up Ultra Gobi 400 zu gewinnen…
